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Sortenschutz

Erste Konturen eines Schadenersatzanspruches nach europäischem Sortenschutzrecht

|Gert Würtenberger|

Mit der Richtlinie 2004/48/EG zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums (nachfolgend mit RiLi abgekürzt) hat der europäische Gesetzgeber zur Gewährleistung eines hohen und homogenen Schutzniveaus in der EU den nationalen Gesetzgebern der Mitgliedsstaaten einige materiell­rechtliche Sanktionen und die Implementierung verfahrensrechtlicher Instrumente zur Durchsetzung von Immaterialgüterrechten vorgegeben. Kern der Richtlinie sind neben den Art. 6-9, welche die Durchsetzung und die Sicherung der verschiedenen Schutzrechtsansprüche betreffen, die Art. 10-15, die den Rechtsfolgen einer festgestellten Schutzrechtsverletzung gewidmet sind. Neben Ver­nichtungs-, Rückruf- und Entfernungsansprüchen kommt dem Schadensersatzanspruch gem. Art. 13 besondere Bedeutung zu.

Die Entscheidung des EuGH

Bislang hatte der EuGH in vier Entscheidungen (hier, hier, hier  und hier) Gelegenheit, Fragen zum Schadenersatz sowie zur Kostenkompensation zu konkretisieren. Zwei der drei Entscheidungen befassen sich mit nationalen Regelungen zum Schadenersatz, während die dritte Entscheidung Schadenersatzansprüche aufgrund Verletzung eines Gemeinschaftlichen Sortenschutzrechtes diskutiert. Diese soll hier besprochen werden. Eine vierte Entscheidung befasst sich mit der Erstattung von Verfahrens-, insbesondere Anwaltskosten gemäß Art. 14 der RiLi.

Der EuGH war aufgerufen zu bestimmen, was unter „angemessener Vergütung“ und „Höhe des Ersatzes des weiteren aus der Verletzung entstandenen Schadens“ im Sinne des Art. 94 a der Verordnung Nr. 2100/94  zu verstehen ist. Der Kläger verlangte im Ausgangsverfahren neben der verkehrsüblichen Lizenz eine angemessene Erhöhung derselben und den Ersatz weiterer mit der Verletzung im Zusammenhang stehenden Kosten des Klägers (z.B. durch Reisen zu Besprechungen und Gerichtsterminen sowie für ein vorausgehendes, jedoch fehlgeschlagenes einstweiliges Verfügungsverfahren).

Der EuGH lehnt zwar die Zuerkennung eines pauschalen Verletzerzuschlages sowie die Herausgabe der Gewinne und Vorteile, in deren Genuss der Verletzer gelangt ist, ab. Er betont jedoch, dass unter dem Begriff „ angemessene Vergütung “ neben der üblichen Gebühr, die für die Erzeugung in Lizenz zu zahlen wäre, alle Schäden erfasst werden, die eng damit zusammenhängen, dass diese Gebühr nicht gezahlt wurde, wozu insbesondere die Zahlung von Verzugszinsen gehören kann. Es sei Sache des vorlegenden Gerichts festzustellen, welche Umstände eine Erhöhung dieser Gebühr gebieten, wobei kein Umstand mehr als einmal für die Bemessung der angemessenen Vergütung in Ansatz gebracht werden dürfe. Die Höhe des in Art. 94 Abs. 2 der GSVO genannten Schadens sei anhand der von dem Inhaber der verletzten Sorte vorgetragenen Gesichtspunkte festzulegen und gegebenenfalls zu pauschalieren, wenn die Bewertungsfaktoren nicht quantifizierbar seien. Eine Nichtbe­rück­sichtigung der Kosten eines erfolglosen einstweiligen Verfügungsverfahrens oder der im Rahmen des Ausgangsverfahrens entstandenen außergerichtlichen Kosten sei zwar mit der Richtlinie vereinbar, setze jedoch voraus, dass die Höhe der von dem Geschädigten möglicherweise zu tragenden Prozesskosten nicht geeignet ist, ihn davon abzuhalten, seine Rechte gerichtlich geltend zu machen.

Der EuGH verpflichtet damit das nationale Gericht, über die verkehrsübliche Lizenz hinaus die Umstände des Einzelfalls in die Bemessung der Schadenersatzhöhe einfließen zu lassen. Damit sind all die Aspekte, die in der deutschen Rechtsprechung als Erhöhungsfaktoren vereinzelt als erhöhend berücksichtigt wurden, auf entsprechenden Vortrag des Ge­schä­dig­ten in die Bewertung einzu­be­ziehen. Neben einer Alleinstellung des geschützten Gegen­standes und einer damit einhergehenden fehlenden Ausweichmöglichkeit für Dritte sind u.a. das Fehlen einer in Lizenzverträgen üblicherweise vereinbarten Verpflichtung zur Buch­führung oder Werbung, das Zahlungs­risiko bei nicht rechtsbeständigen Schutzrechten oder die Tatsache, dass zur Abrundung des eigenen Ange­bots­spektrums der geschützte Ge­gen­stand unter dem Gesichtspunkt „must have“ notwendig ist, mögliche Erhöhungsfaktoren. Dies kann u.U. zu einer Verdoppelung der üblichen Lizenzgebühr führen.

Die Nicht­be­rücksichtigung der tatsächlichen Kosten eines erfolglosen einstweiligen Verfü­gungs­verfahrens oder der im Rahmen des Ausgangsverfahrens entstandenen gerichtlichen und außer­gerichtlichen Kosten ist zwar mit der Richtlinie vereinbar, setzt jedoch voraus, dass die Höhe der von dem Ge­schädigten möglicherweise zu tragenden Prozesskosten nicht geeignet ist, ihn davon abzuhal­ten, seine Rechte gerichtlich geltend zu machen. Die natio­nalen Gerichte müssen deshalb unabhängig von etwaigen Vorgaben durch nationale Regelungen zur Festsetzung von zu erstattenden Kosten durch die unterliegende Partei auf entsprechenden Vortrag überprüfen, ob die erstattungsfähigen Kosten nach nationalem Kostenrecht nicht in einem groben Missverhältnis zu tatsächlichen notwendigen Ver­fahrenskosten stehen.

Aufgrund dieser und den weiteren Entscheidungen zur Frage des Schadenersatzes nach der RiLi des EuGH steht fest, dass ein Schadenersatz in Höhe der verkehrsüblichen Lizenzgebühr keinesfalls im Einklang mit der DurchsetzungsRiLi steht. Dies betont das Gericht sogar ausdrücklich in seinem Urteil vom 25. Januar 2017 in der Rs. C-367/15, ECLI:EU:C:2017:36 Rn. 30 – Oławska Telewizja Kablowa.