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Sortenschutz

EUGH – C-481/14 – Schadenersatz bei Sortenschutzverletzungen – Teil II

|Gert Würtenberger|

Am 9. Juni 2016 hat der Europäische Gerichtshof ein Urteil zu Fragen des Schadenersatzes bei Verletzung gemeinschaftsrechtlich geschützter Pflanzensorten verkündet [hier]. Veranlasst war dieses Urteil durch ein Vorlageverfahren des Oberlandesgerichts Düsseldorf, in welchem es um die der Schadenersatzforderung zugrunde zu legenden Bemessungsfaktoren bei der Verletzung einer geschützten Sorte geht. Der Kläger macht dort über die Zahlung einer marktüblichen Lizenzgebühr hinaus weitere Kosten geltend, welche diesem im Zusammenhang mit der Rechtsverfolgung einschließlich Beweissicherung vor Einleitung gerichtlicher Maßnahmen entstanden waren.

Das gemeinschaftliche Sortenrecht sieht in Artikel 94 der Verordnung zum gemeinschaftlichen Sortenschutz (VO) vor, dass derjenige, dessen Rechte verletzt wurden, vom Verletzer neben der Unterlassung weiterer Verwertungshandlungen auch die Zahlung einer angemessenen Vergütung verlangen kann. Darüber hinaus bestimmt Artikel 94 Abs. 2 der VO, dass der Inhaber des verletzten Schutzrechtes bei vorsätzlicher oder fahrlässiger Verletzung seiner Rechte vom Verletzer den weiteren aus der Verletzung entstandenen Schaden verlangen kann. Was darunter zu verstehen ist, ist dem deutschen Gericht unklar. Dieses hat deswegen beim EuGH im Wege eines sogenannten Vorlageverfahrens um Auslegungshilfe des Europäischen Rechts nachgesucht. Das Oberlandesgericht ging nämlich insbesondere davon aus, dass jedenfalls kein pauschaler Verletzerzuschlag zur Zahlung der verkehrsüblichen Lizenz anzusetzen sei. Auch könne der Verletzte die Zahlung einer Entschädigung für sämtliche Kosten, wie Anreise zu Terminen, Besprechungen, Zeitaufwand, welche dem Sortenschutzinhaber im Zuge des Verfahrens zur Hauptsache entstanden seien, sowie für die Kosten eines vorausgehenden vorläufigen Rechtsschutzverfahrens verlangen.

Zunächst stellt der EuGH klar, dass der in Artikel 94 Abs. 1 der VO geregelte Schadenersatz nur den Ausgleich des Vorteils regelt, den der Verletzer aus der Verletzung gezogen hat, dass heißt die Lizenzgebühr, die er an den Sortenschutzinhaber hätte entrichten müssen, wenn er vor Aufnahme von rechtsverletzenden Benutzungshandlungen um eine Lizenz nachgesucht und diese ihm gewährt worden wäre. Unter Bezugnahme auf das Urteil „Geistbeck“ [hier] wiederholt der Gerichtshof, dass Artikel 94 Abs. 1 der VO nicht den Ersatz anderer als der mit der unterbliebenen Zahlung der angemessenen Vergütung (Lizenzgebühr) zusammenhängenden Schäden vorsieht.

Demgegenüber, so der EuGH, betrifft Artikel 94 Abs. 2 der VO einen zugunsten des Inhabers des verletzten Sortenschutzrechtes bestehenden Entschädigungsanspruch, der den Schaden erfasst, der dem Inhaber aus der Verletzungshandlung entstanden ist. Dies bedeute zunächst, dass Artikel 94 keine Grundlage für die Festsetzung eines Pauschalstrafschadenersatzes biete. Vielmehr müsse der zu zahlende Schadenersatz möglichst genau den Schäden entsprechen, die dem Inhaber des Sortenschutzrechts tatsächlich durch die Verletzung entstanden seien. Dies würde auch im Einklang mit der Richtlinie 2004/48 zur Durchsetzung der Rechte des Geistigen Eigentums stehen, welche die Mitgliedstaaten dazu verpflichtet sicherzustellen, dass der Verletzer einen angemessenen Schadenersatz zu leisten habe. Vorteile, die dem Verletzer aus der Verletzung erwachsen seien, könnten deshalb nicht bei der Bemessung des Schadenersatzes berücksichtigt werden.

Wie eine angemessene Vergütung nach Artikel 94 Abs. 1 der VO zu bemessen sei, überlässt der EuGH dem nationalen Gericht, das zu prüfen habe, ob die übliche Lizenzgebühr mög­licher­weise aufgrund besonderer Umstände zu erhöhen sei. Solche Umstände hatte das Oberlandesgericht in seinem Vorschlagebeschluss erwähnt. Beispielhaft nannte das OLG

– dass es sich bei der verletzten Klagesorte im maßgeblichen Zeitraum um eine Sorte handelte, die auf dem Markt aufgrund besonderer Eigenschaften eine Alleinstellung aufgewiesen hatte;

– dass die Klagesorte zum Zeitpunkt der Einführung der verletzenden Sorte auf dem Markt bereits mit großem Erfolg vermarktet worden war, wodurch der Verletzer sich Kosten für die eigene Markteinführung der verletzenden Sorte ersparen konnte;

– dass das Ausmaß der Verletzung der Klagesorte zeitlich im Hinblick auf die verkauften Stückzahlen überdurchschnittlich war;

– dass der Verletzer, anders als dies bei Lizenznehmern üblich ist, nicht dazu verpflichtet war, quartalsweise abzurechnen

sowie weitere im Vorlagebeschluss aufgeführte Einzelfaktoren.

Aus dieser Feststellung des Gerichts geht hervor, dass dem nationalen Gericht ein sehr großer Ermessenspielraum eingeräumt und es ihm ermöglicht wird, lizenzerhöhende Faktoren aufgrund der dem Einzelfall zugrunde liegenden Umstände zu berücksichtigen. Der EuGH hebt jedoch hervor, dass diese die Lizenzgebühr erhöhenden Faktoren eng damit zusammenhängen müssen, dass der Verletzer keine lizenzvertraglichen Pflichten einzuhalten hatte.

Schließlich nimmt der EuGH noch detailliert zu der Frage Stellung, was unter dem Ersatz des entstandenen Schadens nach Artikel 94 Abs. 2 der VO zu verstehen ist. Das Gericht betont nochmals, dass diese Vorschrift den Anspruch auf Ersatz des gesamten, objektiven Schadens eröffnet, der dem Inhaber der Sorte aus der Verletzung entstanden ist. Um diesen Schadenersatz zu erhalten, müsse der Inhaber Nachweise dafür beibringen, dass sein Schaden über die angemessene Vergütung nach Abs. 1 des Artikels 97 hinausgehe. Es sei Sache des nationalen Gerichts zu beurteilen, inwieweit die vom Inhaber der verletzen Sorten geltend gemachten Schäden genau nachgewiesen werden können oder ob ein Pauschalbetrag festzusetzen sei, der dem tatsächlichen Verhältnis in Bezug auf diese Schäden möglichst nahe komme. Der EuGH stellt jedoch klar, dass die Kosten für ein vorausgehendes einstweiliges Verfügungsverfahren, die nach den nationalen Vorschriften der Verfügungskläger zu zahlen hatte, nicht als Schadenersatzposten in Ansatz zu bringen seien. Andererseits nimmt der EuGH in diesem Zusammenhang Bezug auf die sogenannte Durchsetzungsrichtlinie, deren Ziel es sei, das Schutzniveau für geistiges Eigentum zu erhöhen, um zu verhindern, dass ein Geschädigter von der Einleitung eines gerichtlichen Verfahrens zur Sicherung seiner Rechte abgehalten wird. Dies betrifft insbesondere weitere außergerichtliche Kosten sowie den Zeitaufwand, den der Geschädigte aufbringen müsste, um der Verletzung nachzugehen und seine Ansprüche gerichtlich durchzusetzen. Auch insoweit überlässt es der EuGH dem nationalen Gericht zu prüfen, ob z. B. die voraussichtliche Höhe der von dem durch die Verletzung Geschädigten möglicherweise außergerichtlich und gerichtlich zu tragenden Prozesskosten dazu geeignet ist, den Inhaber des verletzten Schutzrechtes davon abhalten zu können, seine Rechte gerichtlich geltend zu machen.